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Hand – Stick – Maschine

KW37/2024 – Verdrängt die einnehmende Stellung der Informatik das Handwerk zunehmend?

Verdrängt die einnehmende Stellung der Informatik das Handwerk zunehmend? Dies ist eine zentrale Frage in unserem Projekt und wir haben deshalb die programmierbaren Stickmaschinen dem Handsticken gegenübergestellt. Zur Programmierung nutzen wir die Programmiersprache TurtleStich; die Ausführung erledigt eine Stickmaschine für den Heimgebrauch. Zum Handsticken benötigen wir Faden, Nadel und Stickrahmen.

Beim Besuch des Textil- und Industriemuseums Neuthal wurde uns vor Augen geführt, dass unsere Frage bereits vor rund zweihundert Jahren schonmal im Raum stand. In dieser Zeit verbreiteten sich die Handstickmaschinen. Ein grosser Unterschied vom Handsticken zu den von uns verwendeten modernen Stickmaschinen besteht darin, dass beim Handsticken der Faden mit der Nadel durch den Stoff geführt wird. Dazu muss die Nadel kurz losgelassen werden. Bei der Stickmaschine ist die Nadel fixiert und kann nur auf- und abstechen. Dies hat zur Folge, dass der Oberfaden, der das Stickmuster definiert, durch den Unterfaden fixiert wird. Die Handstickmaschine hingegen bildet das Handsticken eher nach: Die Nadel wird durch den Stoff geführt, von einem Greifer auf der anderen Seite des Stoffes aufgenommen und wieder zurückgeführt, wo dann der gegenüberliegende Greifer bereit ist. So wird ein Faden hin- und hergeführt. Der Unterschied zum Handsticken besteht hier in der Nadel: diese muss auf beiden Seiten eine Spitze haben. Dutzende Nadeln mit dazugehörigen Greifern auf beiden Seiten des Stoffes ermöglichen es, dass gleichzeitig dutzendfach dasselbe Muster gestickt wird. Das so erstellte Stickstück unterscheidet sich nicht offensichtlich von einem handgestickten Werk, da es einen durchgehenden Fadenlauf hat. Bei der modernen Stickmaschine sind die Unterschiede schnell erkennbar, da es eine Vorder- und Rückseite des Stickmusters gibt.

Doch wie wird das Muster bei der Handstickmaschine programmiert? Das eigentliche Stickmuster wird auf Papier stark vergrössert und die einzelnen Einstichstellen werden markiert. Nun wird ein Zeiger, der mechanische mit den Reihen von Nadelgreifern verbunden ist, von einer Person an die entsprechende Stelle der Vorlage geführt und das Hin- und Herfahren der Nadeln ausgelöst. Es steckt somit immer noch viel Handwerk und Geschick in der Ausführung der Stickarbeit. Bei unseren modernen Stickmaschinen ist die eigentliche Arbeit erledigt, wenn wir das Stickmuster am Computer programmiert haben. Danach sind es nur noch einfache Routinearbeiten, wie das Einspannen des Stoffs, das Einfädeln der Nadel.

Der grösste Unterschied betreffend Programmierung zwischen der alten Handstickmaschine und der Arbeit mit TurtleStich liegt wohl darin, dass bei den vergrösserten Stickmustern für die Maschine das finale Muster selbst für Laien gut erkennbar ist. Bei TurtleStich ist es eine Aneinanderreihung von Programmierbefehlen, deren Muster erst durch die Ausführung sichtbar wird.